Jubiläum in der Lübecker Glockengießerstraße 67

Julia Jankowsky aus Lübeck zeichnet den
50. Kalender mit dem „Schalk im Nacken“

Das Jahr 2024 bietet etwas Außergewöhnliches: der Kalender der Diplom-Designerin feiert seinen 50. Geburtstag. Er ist damit gerade mal drei Jahre jünger als seine heutige Zeichnerin Julia Jankowsky, die aber zum Feiern aus ganz verschiedenen Gründen nicht viel Zeit hat.
Was 1973 als persönlicher Weihnachtsgruß für Bauherren, ihrer schon früh verstorbenen Mutter Birgid mit grafisch gestalteten Kreisen, begann, hatte Vater Günter Jankowsky († 2008) nach dem Tod seiner Frau (1977) mit Buntstift-Zeichnungen und seinem ganz eigenen Humor weiterentwickelt. Er legte den Grundstock für das noch heute so beliebte spitzfindige Kalendarium. 2003 gab er das Zepter an Tochter Julia Jankowsky ab. Sie fand dann auch ihren eigenen Stil.
Was sich über alle Jahre allerdings nicht geändert hat? Es ist das grafisch gestaltete Gitterwerk aus 365 Tagen im Jahr, das immer noch in Familienhand ist und die sauberen Zeichnungen mit Hintersinn. „Ich bekomme auch immer wieder Rückmeldungen von Menschen, die meinen Kalender schon ganz lange kennen“, freut sich Julia Jankowsky über zufällige Begegnungen in ihrem Atelier. Andere teilten ihr stolz mit, dass sie bisher jeden Kalender aufbewahrt hätten. Zum 50. Jahrgang hat sich Julia Jankowsky ins eigene Archiv begeben und einige Ideen der Zeichnungen der letzten Jahrzehnte für das neue Kalendarium überarbeitet.
Julia Jankowsky hat mit dem Jubiläumswerk selbst ihren 22. Kalender gezeichnet – künstlerisch ebenso wertvoll, wie farbenfroh und mit dem „Schalk im Nacken“, der am Ende das satirische Gitterwerk ausmacht. Das war zwischen privatem Umzug ins eigene Altbauhaus gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Carsten und zusätzlich auch dem Umzug ihres Lübecker Ateliers, diesmal keine leichte Aufgabe. Aber auch hier ist die 53-jährige Diplom-Designerin ihrer künstlerischen Vergangenheit treu geblieben: „Ich bin mit meinem Atelier in der Glockengießer Straße nur ein paar Meter weiter bis zur Hausnummer 67 auf die andere Straßenseite umgezogen.“ Das neue Atelier im Lübecker Künstlerviertel ist heller und größer. Was bleibt, ist die Nähe zu ihrem über 15 Jahre gewachsenen Freundeskreis und zum Günter-Grass-Haus.
Dort, wo viele Jahre lang noch feine Schokoladen angeboten wurden, werden heute im neuen Julender-Atelier jetzt ebenso feine Buntstifte angesetzt, um ebenso süßen wie hintergründigen Humor aufs Papier und ins Gitterwerk zu zeichnen. Mit den Neu- und Vollmonden, den Sternzeichen, drei nordischen Leuchttürmen und Feiertagen, aber auch Raum für eigene Notizen und jeder Menge Überraschungen ist der Kalender aus vielen Haushalten nicht mehr weg zu denken.

Das neue Jahr begrüßt Julia Jankowsky im Januar mit einem Sieb-Becher voller Puderzucker – der so dargestellte Schnee rieselt auf das immer grauer werdende Vorjahr. Die Heiligen Drei Könige haben sich aus Schnee ihre eigene Krone gebaut. Das Sparschwein flieht aus Angst vor Plünderung vor den vielen Rechnungen zu Beginn des Jahres, bevor der Wassermann den Sommertee genießt. Zum Ende des Monats misst der Schneemann sein lebensbedrohendes Fieber, das bei 15,1 Grad liegt – es wird schon wieder wärmer.
Der Sohn zieht seinen Vater auf dem Schlitten Anfang Februar durch den letzten Kalender-Schnee. Und dann fliegt zum Karneval auch schon wieder reichlich Konfetti, der mit Hilfe eines Lochers aus buntem Papier produziert wird. Julia Jankowsky hat damit stolz eine Idee ihres Vaters aufgenommen. Die Planeten kreisen als Geschenk an den Astrophysiker Galileo Galilei an einem Mobilé um die Sonne nachdem er am 15. Februar 2024 seinen 460. Geburtstag gefeiert hätte. Ende Februar – ein Schaltjahr übrigens – erinnert die Diplom-Designerin mit den Initialen E.K. an den Autoren Erich Kästner, dem sie zu seinem 125. Geburtstag, angelehnt an sein bekanntes Werk „Emil und die Detektive“, eine Torte gezeichnet hat. Und wenn Julia Jankowsky 54 wird, dann gibt es einen Tropfen Schmelzwasser vom Schneemann in den Fest-Wein – aber nur im Kalendarium.
Die Fische baden sich als Sternzeichen in diesem Jahr Anfang März in Öl, bevor der erste Leuchtturm in das Gitterwerk ragt. „Ich habe den Alten Leuchtturm in Eckernförde wegen seiner Farben ausgesucht“, wird Julia Jankowsky traurig-ernst: Die Farbkombination blau-gelb soll an die im Krieg so furchtbar leidenden Menschen in der Ukraine erinnern. Mitte März wird am Lagerfeuer schon mal angegrillt. Der Künstler der Entfesselung und Magie, Harry Houdini, wäre am 24. März 150 Jahre alt geworden und dann beginnt auch schon Ostern früh im Jahr mit zwei Digitaluhren in Eiern als Symbol zur Umstellung auf die Sommerzeit.
Tierisch beginnt der April mit dem entfliehenden Osterhasen und dem Widder mit ernstem Blick. Das April-Wetter bedeutet für Julia Jankowsky auch Regenbogenzeit. Und so hängt sie einen durchnässt tropfenden Regenbogen mit handelsüblichen Wäscheklammern auf. Der Stier zeigt stolz seine Trophäe, einen Stofffetzen aus dem roten Tuch des Matadors, das er sich erobert hat. William Shakespeare hat mit Galileo Galilei gemein, das er auch 460 Jahre alt wird – allerdings erst am 23. März, dem Tag des Buches. Das Tanzpaar mit Grammophon erinnert an einen Tanzkurs, den Julia Jankowsky mit ihrem Lebensgefährten kürzlich absolvierte. Dazu passt am 29. April der Welt-Tanztag.
Nach dem vorgezogenen „Tanz in den Mai“ kommt der Hammer als Symbol für den „Tag der Arbeit“ am 1. Mai. Dem Weltfischbrötchen-Tag huldigt Julia Jankowsky mit einer diebischen Möwe. Mit der Leiter geht es an Himmelfahrt über die Wolken gen Himmel und zum Muttertag wird der Cocktail „Sex on the Beach“ (schon einen Tag vor dem Welt-Cocktailtag) ausgeschenkt – die Eisflocke am 11. Mai steht für den Beginn der Eisheiligen. Die Friedenstaube fliegt zu Pfingsten – samt einige Blätter verlierendem Olivenzweig – aus ihrem Käfig in die grenzenlose Freiheit. Im Rapsfeld versinkt der 75. Geburtstag der BRD (23. Mai). Am Wochenende darauf, kommt der Pinsel zum Einsatz und begrünt die Landschaft.
Das Sternzeichen Zwillinge eröffnet den Juni. „Bei der Europawahl am 9. Juni befürchte ich einen Rechtsruck“, sagt Julia Jankowsky und zeichnet eine rechts abdriftende Wahlurne. Und das rote Seil, der den Rechtsruck aufhalten soll, hat auch schon leichte Blessuren. Die Fußball-Europameisterschaft der Männer startet am 14. Juni mit dem Eröffnungsspiel in München mit der Bavaria, der weltlichen Patronin Bayerns. Der Krebs in Form eines Hummers startet im Schnellboot zur Kieler Woche, die mit einer Darstellung des Leuchtturms auf Pellworm kalendarisch endet.
Der 7. Juli ist für Fußballfreunde ein besonderes Datum: Vor 50 Jahren wurde Deutschland zum 2. Mal Fußball-Weltmeister. Zum Ende der EM mutiert der Berliner Fernsehturm zum Fußballhalter. Ernest Hemingway wäre am 21. Juli 125 Jahre alt geworden und bekommt von Julia Jankowsky ihren eigenen „Alten Mann und das Meer“ geschenkt – so, wie sie ihn ironisch sieht: einer Beutelmeise schon im August mit der Angel nachstellend. Der Löwe hat sich zum Start der Olympischen Sommerspiele den Schwanz verbrannt.
Der August ist typischer Stau-Monat, und Julia Jankowsky lässt die Buchstaben S-t-a-u inmitten der Verkehrsschilder ordentlich stauchen. In Paris enden Mitte des Sommermonats die Olympischen Sommerspiele. Deshalb mutiert der Eiffelturm als markantes Ziel für das beliebte Ringwerfen. Die schüchterne Jungfrau sitzt gedankenversunken am Meer.
Mit dem geteilten Schmetterling „Kaisermantel“ geht es in den September hinein. Zur Einschulung der Abc-Schützen hat Julia Jankowsky eine kleine Girlande mit Schultüte als „Willkommen“ aufgebaut. Über das schaukelnde Pärchen geht es mit einer Liebesbekundung zur Eröffnung des Oktoberfestes nach München. Das Sternzeichen Waage zeigt auf der linken Seite Diätpräparate und rechts ein Jo-Jo für den gleichnamigen Effekt.
Der Tag der Deutschen Einheit eröffnet mit etwas verblichenem schwarz-rot-goldenem Charme den Oktober im Gitterwerk der Designerin. Ein mit Ähren und blau-gelbem Band herum gefüllter Bierkrug zeigt das Ende des Oktoberfestes, sowie den Tag des Erntedankfestes an. Mitte des Monates beginnt das Versenden des druckfrischen Kalendariums 2025. 2024 ist übrigens im chinesischen Kalender das Jahr des Drachens, der im Herbst dann auch als Drachen in die Höhe gestartet wird. Dem Ende der Sommerzeit mit Digitaluhren in Kastanien folgt im November der Skorpion, der ein Verkehrsschild erklimmt. Ein von Ost nach West fahrender Trabi steht für den 35. Jahrestag des Mauerfalls und vernebelt der Martinsgans die frische Luft. Der ehemals rot-weiße Leuchtturm Flügge steht auf Fehmarn. Das Sternkreiszeichen des so zielsicheren Schützen läutet die Adventszeit ein.
„Daumen hoch“ vom Weihnachtsmann heißt es im Dezember am 1. Advent. Neben der brennenden Kerze zeigt der Weihnachtsmann mit dem „Peace“-Handzeichen den 2. Advent an. Der 3. Advent hat übrigens nichts mit Wacken Open Air zu tun. Dafür müsste der Daumen versteckt werden. Julia Jankowsky hat deshalb passend kurz vor dem Fest den friedlichen „Fingerzeig“ für „I love you“ gezeichnet. Den 4. Advent möchte die Künstlerin bewusst symbolfrei als einfache Vier verstehen. Zu Weihnachten zeigt der Weihnachtsmann das Herz und es gibt ganz viel Liebe. Ein am Punsch schnüffelnder Steinbock und eine Schneeball als Silvester-Böller getarnt beenden das Jahr 2024.

Michael Kuhr, Eutin